Jenseits des Bären

Da schert man zum ersten mal bei dieser Berlinale aus dem Wettbewerbsprogramm aus und trifft dabei auf zwei Filme, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Und dann fragt man sich, wofür diese Berlinale eigentlich steht, für den eminent politischen, aufklärerischen Film oder für die große Erzählung, für Stars und glattes, makelloses Hollywoodkino? Die Antwort darauf fällt leicht, eben auch weil man im Vergleich besser erkennen kann, wo die Möglichkeiten des Films überhaupt liegen. Narco Cultura, ein erschütternder Dokumentarfilm von Shaul Schwarz begibt sich mitten hinein in den mexikanischen Drogenkrieg. Er zeigt viele der jährlich über 3000 Menschen, die in den Kämpfen der rivalisierenden Kartelle umkommen. Erschossen, hingerichtet, oder einfach als Passanten zufällig getötet. Schwarz geht es in dem Film aber nicht um den Drogenkrieg an sich, nicht um die Macht- und Willenlosigkeit der Politik und die friedvolle Ruhe auf der anderen Seite der Grenze, in den USA. Ihm geht es um die Kultur die daraus entsteht, um Musiker, die die Grausamkeiten der Drogengangster in Songs festhalten, auf Bestellung eine Art folkloristischen Rap abliefern und damit viel Geld verdienen. Sie werden so zu Helden eigener Art. Erstaunlich bleibt dabei, wie selbstverständlich dieser Drogenkrieg geworden ist, wie zweifellos er einfach weiter besteht und täglich bis zu 10 Menschenleben fordert. Und bei jedem Toten rückt das CSI an, sichert die Spuren und den Tatort, die Informationen aber, die so entstehen, werden brav in Kartons verpackt und dann dort vergessen. Nur 3 von 100 Delikten kommen überhaupt zur Anklage. Ein Film der bei allem musikalischen Wohlklang Erschütterung hinterläßt. Und dann The Best Offer von Giuseppe Tornatore, die Geschichte eines großen Auktionators, Kumstkenners und Sonderlings, der von einer kleinen Bande hinters Licht geführt wird. Und das mit einem Aufwand, dass man es am Schluß kaum glauben kann. Geoffrey Rush und Donald Sutherland sorgen für nötige Prominenz, der Film sieht klasse aus, bleibt aber so leer, wie der Ort der geheimen Bildersammlung nach dem Raub. Dieser Film hinterläßt nur eine leicht schwindelige Unzufriedenheit.

Über Ulrich Sonnenschein

Ulrich Sonnenschein, geboren 1961, Studium der Germanistik und der Kommunikationswissenschaft, Promotion über Arno Schmidt. Nach einem Jahr als Lektor an der Universität Limerick, Irland, arbeitet er seit 1989 als freier Redakteur, Autor und Moderator vor allem in der aktuellen Kulturredaktion des Hessischen Rundfunks. Seit er als sechsjähriger jeden Sonntag in die Matinee-Vorstellungen seines Vorstadt-Kinos ging, schreibt er über Filme. Erst privat, dann professionell und jetzt in einer Mischung aus beidem im Netz.
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