von Härchen und Arbeitermacht

So wieder ein Tagesspiegel-Textchen fertig, zu Peter Liechtis tollem Elternfilm “Vaters Garten” im Forum (vielleicht hier später mehr, auf jeden Fall unbedingt hingehen!) Immer noch keinen Wettbewerbsfilm gesehen, dafür gestern Ken Loachs “The Spirit of 45”, einen PR-Film gegen die Privatisierung – also eine durchaus unterstützenswerte Botschaft. Doch die kommt so altbacken fantasielos und linear daher, dass sich die Bloggerin spontan erstmal genau die Mätzchen wünschte, die sie sonst gerne in strengem Ton verdammt (Michael Moore mag platt sein, aber er kann wenigstens mobilisieren)und sich bei weiterem Nachdenken wunderte, dass ein gestandener Regisseur so wenig ästhetischen Wagemut und Ideenreichtum mitbringt. Aber wahrscheinlich ist es umgekehrt und wir begreifen nach dem Sehen von “The Spirit of 45” noch besser , wie Ken Loach tickt und weshalb seine Spielfilme so holzgeschnitzt aussehen: Er ist ein unverbesserlicher “Inhaltist”, der auch politisch die falschen Fragen stellt: -Eigentlich unfassbar etwa, dass die britische Geschichte in seiner Darstellung nach ausführlichen Lobgesängen auf die Errungenschaften von Labour und dem Beklagen der Thatcherschen  “Reformen” abbricht und die späteren Grausamkeiten von Tony Blairs New Labour gnädig verschweigt. Dabei finge es doch hier an, interessant zu werden. Aber eben auch komplizierter. Sehenswert ist der Film dennoch, schon wegen der vielen Archivbilder aus dem Königreich der 30er bis 80er-Jahre. (Allzu) brillant zeigt Loachs Film auch wieder einmal (Verzeihung, wenn ich mich manch mal manisch wiederhole!) welch Unheil zu viel Schärfe auf der Leinwand anrichten kann. Denn die Interviewpassagen mit Arbeiterkämpfern der frühen Jahre sind so rasiermesserscharf fotografiert, dass man wirklich jede Falte und jedes Härchen an Kinn und Ohren der Damen und Herren erkennen kann und muss. Und wer will das in so einem Film? Dabei ist es unwesentlich, ob es sich – wie hier – um alte oder junge, schöne oder hässliche Menschen handelt. Wie schön und ausdrucksvoll dagegen die alten filmischen Dokumente von Jubelfeiern und Demonstrationen in ihren verwischten Grautönen. Offensichtlich müssen die Filmemacher den angemessenen Umgang mit den Möglichkeiten der neuen Technik erst lernen.

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