Horror Hoss

Beim Filmkritikertreff von epd habe ich von Kollegen die Beschwerde vernommen, Nina Hoss würde auch im Wettbewerbsbeitrag GOLD wieder ihren typisch “angekotzten Blick” aufsetzen. Ein Vorwurf, den ich so nicht stehen lassen möchte. Auch wenn ich GOLD gar nicht gesehen habe. Kennen meine Kritikerkollgen denn nicht die psychotronische Eichinger-Bombe WIR SIND DIE NACHT von 2010? Der Berliner Vampirfilm mit Nina Hoss als Obervampirbraut mit überhaupt nicht angekotztem Blick. Vielleicht lief er seinerzeit genau deshalb auch nicht auf der Berlinale?

Die Idee, edlen Genre-Trash über sexy Vampridamen im Berliner Untergrund ausgerechnet mit seriösen deutschen Schauspielerinnen wie Hoss und Karoline Herfurth zu besetzen erschien mir damals zwar peinlich, aber auch ungemein mutig von BE. Hoss hat ja schon in Christian Petzold`s YELLA, dem heimlichen Remake des amerikanischen B-Horrorfilms TANZ DER TOTEN SEELEN (CARNIVAL OF SOULS, 1962) eine tolle untote Wasserleiche (ja, mit dem typischen Blick) gespielt.

Nina Hoss kann auch anders

Nina Hoss kann auch anders

Der gruftige BEGIERDE (THE HUNGER, 1983) von Tony Scott (RIP) hat stilistisch für WIR SIND DIE NACHT Pate gestanden. Hoss übernimmt die Rolle der Deneuve, also der leicht vertrockneten Obervampirdomina und gibt die Marschrichtung vor: „Je böser der Mann, desto süsser das Blut“. Doch Hoss ist, wie es sich für eine moderne Blutgräfin gehört, lesbisch und somit scharf auf Karoline Herfurth. Die macht sie mit ihrem Biss zu einer coolen Gruftimaus, die dann gemeinsam mit der quirligen Techno-Göre Anna Fischer und dem ehemaligen Ufa-Horrorstummfilmstar Jennifer Ulrich das hippe Berlin der Jetztzeit partymäßig aufmischt ohne Gefahr zu laufen fett, schwanger oder süchtig zu werden. Mit viel pubertärer Teenytodesromantik und zeitlupiger Hochglanzwerbefilmästhetik taugt der Film allemal zum schönen guilty pleasure.
Jörg Buttgereit

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