THE BALLAD OF GENESIS AND LADY JAYE

Der Performance Künstler Genesis P-Orridge hat mir irgendwie immer Angst gemacht.

Vereint: Lady Jaye und Genesis

Ich erinnere mich noch als ich vor ziemlich genau 30 Jahren beim Konzert der britischen Industrial Musik Pioniere THROBBING GRISTLE im Berliner Club S.O.36 war. Vor Beginn des Konzerts hat ein Freund mich mit in den Backstagebereich genommen. Dort hat er mir den kurzhaarigen Sänger, einen gewissen Genesis, vorgestellt, der mir freundlich eine Handvoll der begehrten TG-Badges in die Hand drückte und mich dann wieder aus dem Backstage entfernen ließ. Beim Konzert sprang Genesis dann mit weit aufgerissenen Augen wie ein Irrer über die Bühne und forderte in dem stampfenden Song DISCIPLINE schreiend „I need some discipline in here“. Dabei wurde mein Freund Arnold ohnmächtig.

4 Jahre später war Genesis mit seiner neuen Gruppe PSYCHIC TV auf dem „Berlin Atonal“ Festival zu Gast. Ich hatte mir damals grade eine Spiegelreflexkamera gekauft und mich damit als Pressevertreter in den Bühnengraben direkt vor die Bühne geschlichen. Genesis war inzwischen bis auf einen langen Zopf am Hinterkopf kahlgeschoren und stellte sich beim Konzert irgendwann direkt vor mich um sich die Hosen runter zu ziehen und mir seinen frisch gepierceten, mit Geschmeide beringten Penis in die Kamera zu halten. Klick.

Der auf der Berlinale im Forum uraufgeführte Dokumentarfilm THE BALLAD OF GENESIS AND LADY JAYE von der jungen Filmemacherin Marie Losier legt seinen Schwerpunkt auf die innige Beziehung die Genesis mit seiner 2007 verstobenen Frau Lady Jaye Breyer führte. Die beiden hatten sich so gern, dass sie beschlossen sich auch im Aussehen mittels plastischer Chirurgie einander anzugleichen. Die körperliche Verschmelzung als Kunstwerk und Ausdruck ihrer romantischen Liebe. Beim Q&A im Delphi Filmpalast sieht Genesis aus wie der mopsige Jeffrey Lee Pierce (von GUN CLUB) der immer so aussehen wollte wie Debbie Harry (von BLONDIE).

So irritierend die beschriebenen Begegnungen mit dem auf ständige Veränderung bestehenden Performance-Künstlers Genesis P-Orridge auch wirken mögen, nach dem sympatischen und berührenden Filmporträt habe ich zum ersten Mal keine Angst mehr vor dem lebenden Kunstwerk, dem Pandrogyn, das vor mir auf der Bühne sitzt und vor Rührung über den Film Tränen in den Augen hat.
Jörg Buttgereit

P.S.: Am Samstag den 19.2. spielt Genesis P-Orridge mit Freunden ein Konzert im HAU2.

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