Gestohlene Filme

Inzwischen hat es jeder gesehen, verstanden und zu den überflüssigen Informationen gelegt: dass alle, aber auch wirklich alle Filme eröffnende leinwandgroße Banner, dass noch einmal deutlicht machen will, dass Filmpiraterie illegal ist. Mal ganz abgesehen davon, dass der absolut größte Teil der Raubkopien im Herstellungsprozess angefertigt werden und nicht auf Festivals (und schon gar nicht von Journalisten), mal abgesehen davon also, wie überflüssig dieser Hinweis ist, frage ich mich, wie sich wohl Kamboziya Partovi fühlt, wenn er bei der Gala-Premiere seines Films Closed Curtain von Jafar Panahi, zu dem er das Drehbuch schrieb, dieses Hinweis liest. Im Gegensatz zu Panahi, die im Iran unter Berufsverbot steht und nicht reisen darf, konnte er in Berlin sein und die Premiere eines Filmes erleben, den es nur gibt, um zu zeigen, dass Panahi sich die Freiheit zu drehen nicht nehmen läßt. Dass er Filme machen will, um jeden Preis. Filme die möglichst viele Leute sehen sollten. Es müßte also ganz in seinem Sinne sein, dass dieser Film sich von alleine verbreitet, oder?. Wie sieht er diesen Hinweis? Oder ist er, wie die meisten noch gar nicht richtig bei der Sache bevor die Berlinale-Fanfare erklingt? Kann und sollte man solche Warnungen ignorieren? Ich will jetzt nicht in die Diskussion einsteigen, ob Filmpiraterie die Kunst gefährdet oder zumindest das Geschäft, ob große Filme tatsächlich die kleinen, kunstvollen finanzieren und ermöglichen oder ob sich nicht einfach nur der Markt verändert hat und die Zeiten des großen Geschäfts nun endgültig vorbei sind. Wir bedauern Julia Roberts an dieser Stelle schon mal ausdrücklich dafür, dass sie keine 15 Millionen $ mehr bekommt, für 27 Drehtage. Nein, es geht nicht um die Debatte, sondern darum, dass man auch Filme feierlich vorführen sollte. Ohne mit dem Gefängnis zu winken und auf Verbrechen hinzuweisen. Die meisten von uns gehen ins Kino, weil es eine Kulturtechnik ist. Andere wollen Filme im Netz anschauen, legal oder illegal. Manche, aber sicher wenige, tun alles das. Ich glaube man sollte sich entspannen und lieber darüber nachdenken, was Kino so einzigartig macht.

Über Ulrich Sonnenschein

Ulrich Sonnenschein, geboren 1961, Studium der Germanistik und der Kommunikationswissenschaft, Promotion über Arno Schmidt. Nach einem Jahr als Lektor an der Universität Limerick, Irland, arbeitet er seit 1989 als freier Redakteur, Autor und Moderator vor allem in der aktuellen Kulturredaktion des Hessischen Rundfunks. Seit er als sechsjähriger jeden Sonntag in die Matinee-Vorstellungen seines Vorstadt-Kinos ging, schreibt er über Filme. Erst privat, dann professionell und jetzt in einer Mischung aus beidem im Netz.
Dieser Beitrag wurde unter Berlinale 2013 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.