Was für ein Wettbewerb. Was für eine Dynamik. Gleich der erste Film, „Grand Budapest Hotel“ von Wes Anderson, ein Auftakt wie er grandioser kaum sein konnte. Wenn das der Standart ist, in diesem Jahr, so hörte man von allen Seiten, dann wird das die Berlinale des Jahrzehnts. Doch da hatte man die Hoffnung ohne Kenntnis der Berliner Auswahlkommission genährt. Denn hier herrscht nach wie vor das strenge Diktum, außen kalt und innen auch. Zu viel Spass schadet dem politischen Bewusstsein, zu viele gut gemachte Filme schnüren den Schlechten derart die Luft ab, dass man sie dann gar nicht mehr zeigen kann. Also bettet man die, die man aus politisch-gesellschaftlichen Gründen unbedingt zeigen will, in eine Reihe mittelmäßiger, ästhetisch unerheblicher Filme ein, dann fällt es nicht so auf, dass es eben nur wenige wirklich gute Filme gibt, jenseits des sogenannten Mainstreams. NUn war das Wetter in diesem Jahr erstaunlich gut, nahezu warm, im Vergleich, aber drinnen blieb es trotzdem kalt. Da sammelten sich orientalische Heulszenen quer durch die Kulturen, es wurde ungeheuer viel Krach gemacht in den Filmen und es floß an passender oder unpassender Stelle jede Menge Blut. Bei einem Film über blinde Masseure gar dachte man, der Kameramann selbst könnte eine Sehschwäche haben. Bei all diesen Versuchen blieb die Erzählung immer wieder auf der Strecke. Natürlich ist das narrative Kino nicht allein selig machend, aber es hilft doch ungemein, wenn man etwas verdeutlichen will. Und wenn man auf die Erzählung verzichtet, müssen die Bilder und Szenen schon sehr überzeugend sein. Filme, die ihre Geschichten reduzierten jedenfalls, gab es in diesem Jahr ganz viele. Ermüdend viele. Und dann das. Da kommt ganz zum Schluss des Wettbewerbs Richard Linklater mit einem neuen Film daher, fast 20 Jahre nachdem er für „Before Sunrise“ einen goldenen Bären bekam, und fegt sie alle weg. Sein Film Boyhood ist charmant, klug, vielfältig, witzig und unterhaltsam. Und das ohne dass er den Anspruch auf gesellschaftliche Relevanz aufgeben würde. Die Musik ist auf der Höhe ihrer Zeit, die Dialoge, ob nun improvisiert oder geschrieben, treffen immer und die Methode ist wahrscheinlich im Wortsinn einzigartig. 12 Jahre hat Linklater mit seinen Darstellern gedreht und so die Jugend zweier Kinder von 6 bsw. 8 bis 19 bzw. 21 unmittelbar eingefangen. Indem er immer ganz gegenwärtig an der jeweiligen Entwicklungsphase blieb, ist ihm ein ebenso authentisches wie künstlerisches Filmprojekt gelungen, das jeden Aufwand wert war. Hier wartet der goldene Bär, so könnte man denken, aber das ist, so leid mir das tut, nicht wirklich wahrscheinlich. Richard Linklater hat fast 20 Jahre an der Sunrise/Sunset/Midnight Trilogie gearbeitet, er ist bekannt für seine Geduld was langfristige Projekte angeht und für die hohe künstlerische Intelligenz seiner Filme. Eine Entdeckung ist er nicht. Und da wird in der Jury eben auch ein Konkurrenzgefühl entstehen. Den Preis, das zeigen die letzten Jahre ganz deutlich, gibt man gern gänzlich unbekannten Filmen oder solchen von großen alten Regisseuren, die definitiv zum Alterswerk gehören und am Markt keine Chance mehr haben. Zu beiden Gruppen gehört Linklater definitiv nicht. Warten wir es ab, was Christoph Waltz und seine Jury am Samstag entscheiden.
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