Retrospektive: The Mark of Zorro

Douglas Fairbanks: Ihn habe ich erst hier, bei dieser Retrospektive, entdeckt: als d’Artagnan und als Zorro meistert er den Degen im Kampf gegen das Böse, dass es eine Lust ist.

Im Kalifornien um 1820, hundert Jahre, bevor dieser Film von Fred Niblo gedreht wurde: Der Gouverneur ist böse, und einer nur wehrt sich gegen die Unterdrücker. Wo Einheimische misshandelt und Priester gedemütigt werden, ist er zur Stelle; und ach, wie böse sind die spanischen Herren! Sergeant Gonzales zum Beispiel, dieser kraftmeierische Rüpel, der gern mit Stühlen wirft und mit dem Degen fuchtelt: Den lässt Zorro im Duell in einem Wirtshaus kräftig auflaufen, inklusive Balanceakt auf einem Stuhl und Sprung aufs Wandbord. Sein Zeichen ritzt er ihm auf den Hosenboden, da müssen sogar die eigenen Leute lachen.

Zorro tritt auf hinter seiner Maske, mit vors Gesicht gehaltenem Cape in einer Zigarettenrauchwolke und mit V-förmigem Grinsen – dass dieser Rächer der Entrechteten kein anderer ist als Don Diego, ahnt keiner, nur der Zuschauer weiß es. Douglas Fairbanks spielt diese beiden Rollen einer Figur mit großem Spaß ganz unterschiedlich: Hier der flinke Degenartist, dort Diego, lummelig, schlaff, dauermüde, an dem alles zu hängen scheint, Kopf, Schultern, sogar die Beine sind nur sackartige Anhänsel des Rumpfes. Er ist kein Mann, er ist ein Fisch! Lolita ist empört über die Idee, dass sie ihn heiraten solle. Auch er macht sich wenig aus ihr – eine großartige Szene, wie er sich mit ihr bekanntmachen soll, aber mehr Interesse an einer Spielerei mit seinem Taschentuch zeigt als an ihr: „Mein Diener kann ganz gut Gitarre spielen. Er wird heute Nacht unter Ihrem Fenster ein Ständchen bringen.“ – „Schön, meine Magd mag Musik!“ (Ich liebe den prägnanten Dialogwitz, den man in manchem Stummfilm findet…)

Als Zorro blüht Don Diego auf, hinter der Maske kann er sehr viril flirten. Und natürlich verfällt Lolita diesem geheimnisvollen Mann in Schwarz, zumal er Captain Ramon deutlich in die Schranken verweist, der sie besitzen will – eine grandiose Fechtszene, liegend und über Tische springend ritzt er Ramon sein Z in den Hals… und Lolita schenkt ihm den Kuss, den Ramon ihr rauben wollte…

Fairbanks ist einfach fabelhaft, er weiß genau, wie er seinen Körper einsetzen muss als Held wie als Schluri. Sein Doppelleben hat er super im Griff, als Zorro steigt er in einem Gebüsch in eine Falltür, durch eine Geheimtür, ein paar Sprossen hinauf, durch die Wanduhr – und er ist zuhause, mimt den reichen Schnösel, der sich lustvoll der Ennui hingibt. Oder ist das seine wahre Natur, und sein Alter Ego Zorro ist die Verkleidung, hinter der er so richtig die Sau rauslassen kann?

Fechten gegen Gähnen, das ist die Devise, und ein dolles Finale gibt er dem Film: Eine Verfolgung wandelt er in ein lustiges Fangespiel um, es geht zu Pferde ins Dorf, dort klettert er Mauern hoch, schwingt sich auf Balkone, springt über Esel und über Schweinepferche, kraxelt eine Kirchenfassade hoch… um dann ganz gemütlich im Wirtshaus was zu frühstücken: Auf leeren Magen soll man nichts tun – außer essen.

 

Harald Mühlbeyer

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