fischbällchen und ausgedünstetes parfüm

Manche – wie Kollegin Stefanie Dörre vom tip in der letzten Ausgabe gestand – finden überfüllte Kinos ja sexy. Die sind jetzt natürlich gut dran. Ich persönlich gehöre leider nicht zu dier Sorte. Ganz im Gegenteil, prall gefüllte Sitzreihen und an mir vorbeiziehende Menschenmengen sind mir ein Graus und kein Zahnarztbesuch schlimmer, als ungewollt die Über-Parfümierung der Damen in der näheren Umgebung zu ertragen. Das war schon im Kindergarten so. Diese Empfindlichkeiten sind im Berufsalltag als Filmkritikerin gut integrierbar (…ist das professionelle Schreiben nicht sowieso eine halbwegs legale Zuflucht für Isolationisten?), weil die Kinos bei den gewöhnlichen Pressevorführungen ja meist höchstens zur Hälfte besetzt sind, besonders, wenn man sich auf eher randständige Filmarten kapriziert. Bei einem Event wie der Berlinale werden sie aber zum echten Problem, wenn bei jedem noch so abgelegenen Film zu fast jeder Tageszeit die Kinos bis zum letzten Platz besetzt sind und die Schlangen davor so lang, dass man schon 45 Minuten vor Filmbeginn anstehen muss, um noch einen Randplatz zu ergattern. Dass diese dann immer als erste vergeben sind, zeigt, dass ich mit meiner Macke nicht allein bin.

Zum Glück also musste ich auch gestern den halben Tag mal wieder (friedlich & allein zu Hause) schreiben. Einen Film habe ich in einem (überfüllten) Kino trotzdem gesehen: Doch “Al Midan” (Forum) über die ägyptische ‘Revolution’ hat mich auch jenseits des Gedränges eher unbefriedigt zurückgelassen. Filmsprachlich zu sehr von der US-amerikanischen Herkunft der Regisseurin Jehane Noujaim und den dortigen Produktionbedingungen dominiert, die mit bei dem Thema wirklich unnötiger künstlicher Emotionalisierung auffahren. Und über die wirklichen INHALTLICHEN Forderungen und Differenzen der Aktivisten kommt trotz der fast zwei Stunden kaum etwas rüber.

Auch erster Selbstversuch mit dem Street-Food, der nicht ganz glücklich ausgefallen ist. Habe die Fishball Arepas von Mariamaria probiert. Doch das Maismehlbrötchen schmeckte wenig nach Mais und auch die Fischbällchen eher nach Kohlenhydratpampe als nach Fisch. Für die von mir erbotene Extra-Schärfe wurde dann ganz oben auf das Ganze drauf ein Klacks rote Soße gegeben, die sich eßtechnisch gar nicht mit dem Rest der Speise vermengen ließ sondern vorab genossen werden musste. Für die geforderten sechs Euronen war das sensorisch wie mengenmäßig doch arg mager, da schmeckt eigentlich jedes dahergelaufene Falafel besser. Heute mittag ist dann die Ceviche dran. Und vielleicht schaffe ich es, endlich mal Tickets für die Retro zu ergattern, die dieses Jahr bisher immer schon fort waren, wenn ich nachmittags am Potsdamer Platz auflief.

Dieser Beitrag wurde unter Berlinale 2011 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.