Musikkomödie auf britisch – “Car of Dreams”

Die Tonfilmoperette kommt aus Deutschland; blieb aber selbstverständlich nicht an den Grenzen stehen. Schon deshalb nicht, weil die deutschen Tonfilme damals selbstverständlich auch fürs Ausland produziert wurden, und zwar on the spot: Als Sprachversionsfilme, in denen dieselbe Szene im selben Setting von französisch- resp. englischsprachigen Schauspielern nochmals gedreht wurde: So dass derselbe Film mit verschiedenen Darstellern in verschiedenen Auslandsfassungen vorlag. Chris Wahl hat darüber ein großartiges Buch geschrieben, eines der besten Filmbücher der letzten zehn, zwanzig Jahre: Sprachversionsfilme aus Babelsberg: Die internationale Strategie der Ufa 1929-1939, erschienen 2009 in der Edition Text & Kritik (ein Buch, das nicht nur Sprachfassungen und UFA-Exporte, sondern auch die Fragen nach Remakes, Zitaten und Plagiaten bespricht und dabei sehr breit und sehr tief das Thema weitestgehend äußerst klug abdeckt).

Natürlich kannten die Briten also diese Form der musikalischen Komödie; und natürlich auch die britischen Filmemacher. 1935 gedreht, ist die englischen Tonfilmoperette „Car of Dreams“ ein vollwertiges Exemplar des Subgenres, mit allen Zutaten, die in diesem Blog schon angeführt wurden. (Wenn die Retro-Macher “Car of Dreams” mit “Einmal eine große Dame sein” vergleichen, ist die Ähnlichkeit des Themas Auto und Missverständnis natürlich nur der Genrezugehörigkeit zuzuschreiben und nur als (legitimes) Crossmarketing der Retrofilme untereinander zu verstehen, nicht als tatsächlich intertextuell-komparativer Kommentar). Schmissige Lieder, die sich aus einer einfallsreichen Verwechslungshandlung ergeben, eine Liebesgeschichte mit Hindernissen, materielle Differenzen, karikatureske Figuren, flotter Erzählrhythmus, viele Wort- und Bildgags; dazu selbstreferentielle Ironie – eines der Lieder beginnt „You came to me out of nowhere just like this song“, und ist begleitet von einem Reigen an hintereinandergeschnittenen Rückprojektionsszenen, die die Singenden im Auto begleiten.

Vera Hart, gespielt von der Deutschen Grete Mosheim, ist Stempelmädchen in der Musikinstrumentefabrik Miller (und wie ihr Boss Butterworth ihr das Stempeln beibringt, die verschiedenen Stadien von Kissen, Papier, Anhauchen, Papier weg: Schon das ist köstlich). 30 Schilling die Woche verdient sie, und so gerne geht sie bummeln. Lässt sich eine Radiotruhe für 140 Guinees zeigen, ein stolzes Abendkleid – gibt sich also als große Dame aus, um einmal diese ganzen Waren, die gar nicht für sie bestimmt sind, auszuprobieren.
Ganz anders Robert Miller, der Sohn des Fabrikbesitzers: Auf sein Reichtum hat es die Damenwelt abgesehen, nicht auf ihn selbst. Weshalb er sich kurzerhand als Autoverkäufer ausgibt, als Vera einen dollen, prächtig ausgestatten Rolls Royce begutachtet… und natürlich nicht zahlen kann. Weshalb Robert ihn ihr schlicht schenkt, unter dem Vorwand, sei sei der 10.000 Kunde gewesen. Soviel Glück kann Vera gar nicht fassen, zumal Miller unter dem Namen Bob sich ihr am nächsten Tag als Chauffeur anbietet…

Dummerweise will er, der sich als arm ausgibt, sie zugleich mit Geld beeindrucken: Und lässt – in seiner Funktion als Juniorchef – Veras Gehalt auf 5 Pfund erhöhen. Aber: Mehr Geld bedeutet Verlust jeder Reputation, denn nur Schamloses kann dahinterstecken…
Hier kommen die wichtigen Nebenfiguren ins Spiel. Anne Fisher, Chefsekretärin, die erfolgreich jede Verehrerin am Telefon abwimmelt: mit den Fingern tippelt sie Schrittgeräusche, um vorzugeben, die Anwesenheit des Chefs nachgecheckt zu haben… Und dabei ist vor allem sie in ihn verknallt, hoffnungslose Schwärmerei – zum Leidwesen von Butterworth, der wiederum Anne heftigst umwirbt. Beide haben es aus unterschiedlichen Gründen auf Vera abgesehen. Ebenso wie Peters, Freund des Juniorchefs – der sie nämlich höchst attraktiv findet. Und nach einem Identitätstausch von dieser für Robert Miller gehalten wird, den reichen Firmenerben…

Ein kompliziertes Verwechslungsspiel nimmt seinen Lauf: Robert Miller liebt Vera, die ihn als Bob zurückliebt, während Peters sie als Robert Miller begehrt, von ihr aber eher verachtet wird. Während Robert Miller von Sekretärin Fisher, diese wiederum von Veras Chef Butterworth… kompliziert, wie gesagt. Während Bob/Miller immerhin in Veras Vater (Emigrant Paul Graetz) unterstützt wird; wohingegen die Mutter ohnehin an allem nörgelt…

Der Vater: Das ist eine ganz eigene Figur, Antiquitätenhändler, dem seine Stücke so ans Herz gewachsen sind, dass er nichts verkauft. Ein Stuhl hat es ihm so sehr angetan, draufsitzen ist verboten, Verkauf ohnehin außer Frage – und niemand darf von diesem Stuhl wissen, seinem Liebling… Hatte ich erwähnt, dass die Tonfilmoperette an den richtigen Stellen und im richtigen Maß stets auch sehr albern ist?

Das Ende ist Karneval auf Schlittschuhen: Alle fahren raus aufs Land; Robert Miller, der echte, hat sogar noch mit Freund Peters – der sich als Miller ausgibt – gewettet, wer Vera rumkriegt. Anne und Butterworth wollen die Schwindeleien aufdecken – und wissen selbst nicht genau, welche. Und Vera muss erfahren, dass das Angebot, ein Zimmer über einer Garage zu teilen, nicht unbedingt als Heiratsantrag zu verstehen ist, wenn es von einem schwerreichen Fabrikbesitzer kommt.
Dass am Ende alles gut wird, ist klar; denn natürlich sehen wir einen Traum-Film, der Filmtitel verrät es schon. Und tatsächlich macht sich das Liebespaar nach all den Turbulenzen auf in den siebten Himmel, mitsamt dem Auto, hinauf auf Wolke 9…

Sicherlich einer der witzigsten und wahrscheinlich besten Filme der Retrospektive.

 

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