von Schwächlingen, Menschenaffen und fehlenden Festivalgästen…

Heute hat der Kollege Martenstein sich im Tagesspiegel als Festival-Schwächling geoutet. Dabei schreibt er doch jeden Tag eine lange Kolumne, eine komische noch dazu. Und die Nicht-Berlinale-bezogene Pflichten werden in den tollen zehn Tagen vermutlich auch nicht warten. Das ist eigentlich doch schon ganz schön taff, wenn auch natürlich nicht so heroisch wie der Einsatz von Knut Elstermann vor ein paar Jahren, als der mit einer akuten Grippe neben den Rundfunkpflichten auch seine allabendliche Berlinale-Live-Show in der damaligen Maxx-Bar durchzog. Dies sei vor allem für die erzählt, die immer noch denken, Filmjournalisten würden sich im wesentlichen mit tollen Stars auf ebenso tollen Empfänge rumtreiben und sich einen lauen Lenz machen.

Die Bloggerin jedenfalls war bisher auf dieser Berlinale noch auf gar keinem Empfang. Ja, die einzige solche Veranstaltung, die bisher regelmäßig im Stundenplan stand, wäre eigentlich genau jetzt zu dieser Zeit: Der legendäre Forums-Empfang, der in den letzten Jahren in den Wandelgängen der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz stattfand und eine wunderbare Möglichkeit war, vor dem nahenden Festivalende noch einmal gezielt die Menschen zu treffen, die der Zufall einem in den vorherigen Tagen nicht über den Weg gespült hatte. Standard-Grußformel bei hektischen Festivalbegegnungen war in den letzten Jahren immer “Treffen wir uns beim Forums-Empfang?”. Doch dieses Jahr fällt die Party aus, aus Spargründen kann man nur im kleinen Kreise feiern. Schade, schade für mich, denn ich muss jetzt zu Hause zwischen Papierstapeln sitzen und und bloggen –  an die bleibenden Folgen für die deutsche Filmkultur (mangels nicht stattgefunden habender alkoholisierter Projektanbahnungsgespräche) mag die Bloggerin gar nicht denken. Dabei wären wir auch schon beim einzig positiven Aspekt der Sache, denn trotz bester Vorsätze war man am Freitag doch meist zumindestens verkatert, wenn nicht gar virenfiziert.

Jafar Panahi ist nicht der einzige, der dem Festival durch Eingriff von höherer Stelle abhanden kam. Auch drei Protagonistinnen von “Unter Menschen” (Berlinale Spezial) wurde nicht gestattet, nach Berlin zu reisen, allerdings in diesem Fall nicht vom Staat sondern von ihrem privaten Arbeitgeber, dem Gnadenhof Gut Aiderbichl. Der betreibt seit einigen Jahren auch das Gänserndorfer Resozialisierungs-Zentrum für Schimpansen, die davor zwei Jahrzehnte lang in Wiener Versuchslaboren für die Pharmaindustrie gequält worden waren. Der Leiter ist ein nicht ganz uneitler Mann, vielleicht war er eifersüchtig auf die Tierpflegerinnen, die im Mittelpunkt des Films stehen. Andererseits hätte das Gut Aiderbichls die Welt gern so sauber wie im Musikantenstadl, während im Fall der österreichischen Versuchsschimpansen so schmutzige Dinge wie Korruption, illegalen Tierhandel und Tierquälerei nicht zu übersehen sind. Genau um diese Zusammenhänge geht es auch in dem Film von Christian Rost und Claus Strigel, der heute im Haus der Berliner Festspiele Weltpremiere hatte, einem starken und erstaunlich vielschichtigem Film, der mit bisher nicht gehörter Ernsthaftigkeit die Frage unserer Verantwortung und Schuld gegenüber den tierischen Miterdbewohnern stellt und sicher noch Aufsehen machen wird. Über formale Fragen wie ein allzu aufgemotztes Sounddesign wollen wir ausnahmsweise hier schweigen.

Die Bloggerin muss zugeben, der anfangs großlaut angekündigte Fokus auf Frauendingsbums wurde hier schwer vernachlässigt. Dabei ist heute doch internationaler Frauenaktionstag:  Mit dem Motto “One Billion Rings” will frau für Gleichberechtigung und gegen patriarchale Gewalt antreten. Mehr versprochen sei hier für morgen, da gibt es um 11 Uhr in der NRW-Vertretung ein Treffen von Frauenfilmfestivals- und initiativen weltweit, das sich nach  Treffen in Köln und New York jetzt auch in Berlin mit der Unterrepräsentanz von Regisseurinnen im Filmsektor beschäftigt.

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