Freiheit ist das Paradies

Anlässlich der Premiere von Jafar Panahis und Kamboziya Partovis „Pardé“ erklärte Dieter Kosslick im 3Sat-Magazin „Kulturzeit“, das große Thema der diesjährigen Berlinale sei die Freiheit. Das hat mich schwer beeindruckt. Offenkundig ist der Festivalleiter ein Mensch, der sich vom Anschein nicht täuschen lässt.

Bisher schien mir das übergreifende Thema des Wettbewerbs die Abwesenheit von Freiheit zu sein. Lauter weggesperrte Frauen haben wir bislang zu sehen bekommen. Sie waren entweder kaserniert in einem Diätcamp (im Abschluss von Seidls „Paradies“-Trilogie), hinter Klostermauern („La Religieuse“) oder psychiatrischen Anstalten (in Steven Soderberghs Brian-de-Palma Etüde „Side Effects“, in Bruno Dumonts strengem Exerzitium „Camille Claudel 1915“). Gefangene im übertragenen Sinne haben wir ebenfalls zuhauf gesehen: den homosexuellen Priester, der in „W Imie…“ die Liebe zu einem seiner Schutzbefohlenen im Heim für schwer erziehbare Jungen entdeckt; Matt Damon, der in „Promised Land“ erst kurz vor dem Ende begreift, dass er als Missionar des Bösen agierte (und das, obwohl dem Schauspieler die Rechtschaffenheit doch aus jeder Pore strömt); den infantilisierten Sohn „Pozitia Copilului“; schließlich die Titelheldin von „Layla Fourie“, die unendlich lange braucht, bis sie sich nach dem Verkehrsunfall zum Handeln durchringt – die Zeit scheint hier nicht in realem, sondern moralischem Tempo zu verstreichen.

Das Bewusstsein einer nicht gegebenen Handhabe lähmt allerorten die Figuren. Das könnte im Gegenzug die Chancen von „Gloria“ bei der Preisverleihung in drei Tagen erhöhen; sofern ihr Catherine Deneuve in „Elle s’en va“ am Freitag noch in die Parade fährt. Womöglich war Kosslicks Aussage ja insgeheim als Fingerzeig für die Jury gemeint. Allerdings verweist sie zugleich auf ein Grundproblem des Kinos: Wie kann man Freiheit filmen? Schließlich liegt ihre Essenz ja im Entkommen. Ihr Gegenteil lässt sich weitaus leichter konstituieren in einem Medium, das sich in Bildern artikuliert, die notwendig durch einen Rahmen begrenzt werden.

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