Keine Ahnung, wie die Kollegen das machen, die jeden Tag drei Wettbewerbsfilme sehen und dann noch ihre 200 Zeilen schreiben. Der Bloggerin reichen schon ein Film am Tag und sechzig Zeilchen als tägliches Arbeitspensum. Trotzdem hat sie es am Sonntag gewagt, sich aus Gründen des Broterwerbs einmal für vier Stunden aus der Pendelei zwischen heimischem Schreibtisch und Potsdamer Platz auszuklinken und eine Parallelwelt im südöstlich von Berlin gelegenen Cottbus aufzusuchen. Dort findet nämlich der größte Karnevalszug Ostdeutschlands statt, der mit den kostümierten Figuren auf den vorbeiziehenden Wagen gut auch als eine Art Live-Steh-Kino an der frischen Luft gesehen werden kann – oder, naja, in Cottbus mit allzu vielen Werbeeinlagen für Spreegurken und lokale Baubetriebe doch eher Privatfernsehen. Trotzdem tat der kleine Ausflug vom Berlinalezirkus Körper und Geist richtig gut. Dafür schlug heute morgen pünktlich zur Halbzeit die Berlinalitis richtig schön kraftvoll zu. Die Symptome kennen die meisten Teilnehmer all zu gut: Schon morgens tränende Augen, Rückenschmerzen, einen verstimmten Magen und durch Reizüberflutung hervorgerufene Kommunikations-Unfähigkeit, die einen die Mütze tief ins Gesicht ziehen lässt und hoffen, bloß niemandem zu begegnen, den man kennt. Selbstverständlich für eine Filmkritikerin am Potsdamer Platz ein illusionärer Wunsch. Zum Glück. Denn schon sieht man hinten im Raum einen lange vermisstes Gesicht und fällt sich freudig in den Arm.
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