Nazis – I Hate Those Guys! – “Hangmen Also Die”

Die vielen Personenretrospektiven, die mit der Weimarer Zeit zu hatten, von Marlene Dietrich über Erich Pommer und den Siodmak-Brüdern bis Murnau, haben viele Filmrestaurierungen ermöglicht, man weiß, woher man Kopien bekommen kann – das erklärten die Kuratoren bei der Vorstellung der Retro heute. Man hat nun die Gelegenheit, mit diesem Material zu spielen. (Auch durchaus mit dem Hintergedanken, Lieblingsfilme zu zeigen, siehe “Some Like It Hot”…)

Es gab vor zehn, zwölf Jahren eine große Lang-Retrospektive – Lang darf natürlich nicht fehlen, wenn es um den Weimar-Geist im Kino nach 1933 geht. Er, der ja nach seiner eigenen Legende abhaute an dem Tag, an dem ihm Goebbels die Führerschaft über den deutschen Film antrug.
In “Hangmen Also Die” rechnet Lang ab mit Gestapo und Kollaborateuren, mit Mördern und Staatsterroristen. Es geht um das Attentat auf Heyrich, Hitlers Statthalter in Prag, 1942. Und um die Nachwirkungen – Terror und Geiselerschießungen, und um den Zusammenhalt der Bevölkerung, die Einheitsfront gegen die Nazis, die sich verfestigt.

Das Schöne: Das Attentat wird nicht gezeigt. Man sieht einen Mann eine Gasse entlangrennen, an einem Gemüseladen vorbei, in dem es kaum was zu kaufen gibt – das ist der Schlüsselmoment. Denn Mascha Novotny sieht ihn fliehen und leitet instinktiv, aus grundsätzlicher Solidarität mit dem, den die Nazis verfolgen, die Gestapo in die falsche Richtung. Womit sie und ihre Familie direkt involviert wird in das Attentat, ins Untergrundnetzwerk der Antifaschisten. Denn der Täter – Dr. Swoboda – weiß nicht wohin, taucht bei ihr auf, lässt sich eine Nacht verstecken. Natürlich kriegt die Gestapo das raus, sie hat ihre Methoden – doch sind das antideutsche Aktivitäten oder ist es nur eine Liebelei?

Hunderte Geiseln werden genommen, täglich werden Dutzende getötet, bis der Attentäter ausgeliefert wird – darunter auch Maschas Vater. Moralischer Konflikt: Soll sich Swoboda, der eine, opfern für das Leben Hunderter? Aber was sind schon 400 Leben, heißt es mal im Film, dies ist ein Krieg von Millionen, ein Krieg eines ganzen Volkes gegen die Deutschen…

Die Deutschen: Das sind Bösewichter, wie sie im Buche stehen. Grobe, dicke, feiste Kerle, laute Sadisten; ein tschechischer Bierbrauer ist Spitzel für die Nazis bei den Widerständlern, ein reicher Typ, der für Profit alles macht. Und wir haben Reinhold Schünzel. Der ist großartig, eine ganz eigene Comedyperformance in seiner Rolle als Gestapoinspektor: Er lässt alle Gesichtsmuskeln spielen, seine Stimme kippt immer wieder gekonnt ins Kieksige, auf ironische Weise spielt er den Freundlichen im Bewusstsein von Macht und Drohpotential. Wie laut er seine Finger knacksen lassen kann! Und wie er gähnt und sich streckt und dabei einen beiläufigen Hitlergruß hinkriegt!

Einige großartige Szenen enthält der Film; wie sich Täter und Mascha unterhalten in einer von der Gestapo abgehörten Wohnung, mit harmlosem Dialog an der Oberfläche, mit kleinen Reizwörtern drin, die die Gestapoleute mit wahnsinniger Spannung reagieren lassen; was wirklich gesagt werden will, wird auf Papier geschrieben… Oder wie die Widerständler den Spitzel überführen, von dem sie nur wissen, dass er deutsch kann: Da erzählt einer einen Hitlerwitz auf deutsch, und wer lacht, hat verloren…

“Hangman Also Die” war ein wahnsinnig schneller Film, ein Jahr nach dem Attentat kam er raus, quasi fast als aktuelle Berichterstattung per Kinofiktion aus dem fernen Prag. Aber natürlich ist alles Fantasie, Tat, Täter und Ermittlungen sind erfunden. Im letzten Drittel kommen wir zu einem schönen Traum von Rache an den Verhältnissen: Die Untergründler, fast schon geschlagen durch den Verrat des Bierbrauers, eine Charade aufführen, um einerseits die Unschuld des wahren Täters herauszustellen, andererseits den Verräter als Attentäter hinzustellen… Ganz Prag macht mit, eine ganze Riege von Zeugen wird aufgeboten, Beweise werden geschickt platziert, bis feststeht, wer auf der Flucht erschossen werden muss.
Während die Geiseln in den Gefangenenbaracken weiter zweistündlich erschossen werden, und sich Mut und Opferbereitschaft mit einem selbstgedichteten, patriotischen Lied ansingen, einer Hymne für Zusammenhalt und wider den Terror. Genau das ist der Tenor des Films im Gesamten.

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