bellevue & pianospiele

Ehrlich gesagt, viele Themen des Kinoaußenlebens – von Wulffi bis Bankenmacht – scheinen derzeit deutlich wichtiger als Berlinale und Bärenvergabe. Zu letzterem kann ich sowieso nichts Kompetentes sagen, habe überhaupt nur einen der in Frage kommenden Filme gesehen und den (gezwungenermaßen) auch nicht komplett, war ja vor allem am Schreibtisch, und dann in Forum und Retro zugange. Dazu dann gestern BVG-Streik in Berlin, nur die S-Bahn  fuhr noch, Kollegen traf man am ausgestorbenen Pressecounter nicht mehr, in den Kinos war es aber genauso voll wie sonst, wenn nicht samstäglich voller. Zum Ausgleich für Strapazen und Überfülle gibt es seit Freitag einen kleinen inneren Extrakick, wenn man auf der Stadtbahn an der Station “Bellevue” vorbeikommt – bilde ich mir ein, auf den Gesichtern mancher Mitreisenen ein Lächeln zu sehen?

Auch in der Retro, der ich die letzten Abende gewidmet hatte, gibt es dieses Jahr einen beglückenden Nebenschauplatz: Bei den Stummfilmen gehört (selbstverständlich) auch der Trailer schon zum Material pianistischer Bemühungen… jeder und jede versucht da (eigentlich immer gelungen) , mit einer eigenen originellen Interpretation der zerberstenden Bärenkugel zu brllieren. Und – interessantes Wahrnehmungsexperiment – dabei bekommt der Trailer jedesmal einen gänzlich anderen Charakter. Gestern im Cinemax wurde er von Gabriel Thibaudeau mit einer ganz zart hingetupften Version von Lili Marleen unterlegt, und selbst die Tafel mit der Verkündung des Handy- und Filmverbotes bekam noch einen hübschen Extra-Klingeltriller verpasst. Der Film danach, Boris Barnets “Mädchen mit der Hutschachtel” , eine turbulente Sozialkomödie aus dem Moskau des Jahres 1927, konnte solche Witze gut parieren, nur die Schläfrigkeit der Filmkritikerin war teilweise doch stärker. Müdigkeit und ERschöpfung allerorten, liest das hier überhaupt noch jemand? Bei mir gibt es heute zum Abschluss den letzten der Kawashima-Yuzo-Filme im Delphi (für mich den ersten). Kollegen haben ganz allgemein bemeckert, dass die kleinen Specials besonders im Forum in der Öffentlichkeit zu wenig präsent seien. Stimmt eigentlich, wenn man im Vergleich bedenkt, mit welcher Verve (Extra-Flyer, Kästen im Katalog, Plakate) die Viennale ihre Hommagen anpreist und unter die Leute bringt. Also hier die erste Anregung zur Besserung nächstes Jahr. Ansonsten: Zwei Lesebrillen verloren, im Vergleich zu anderen Festivaljahrgängen ist diese Quote harmlos.

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Eine Antwort auf bellevue & pianospiele

  1. joerg.buttgereit sagt:

    Eine Brillenbox (leer) verloren.

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