Es ist vorbei, es war schön, es gab nur ganz wenige Filme, die enttäuschten, die so richtig schlecht waren – ich werde sie hier nicht nennen; es gab freilich auch – im Wettbewerb – keinen Film, der mich umhaute. Die richtig guten nämlich liefen außer Konkurrenz oder in anderen Reihen: „Shadow Dancer“ oder der inhaltsfreie, aber umwerfende „Flying Swords of Dragon Gate“, oder „Chispa de la Vita“ und in gewissem Maß auch Guy Maddins hypnotischer, geisterhafter „Keyhole“ (geschuldet vielleicht auch der späten Stunde und damit der fortgeschrittenen Verstandsauflösung, sowie der feinen Art, wie Nebendarsteller Udo Kier danach gedankenverloren am goldenen Vorhang des Interational rumzupfte).
Vor allem aber war diese Berlinale in gewissen herausragenden Momenten erinnerungswert, die herausragen aus dem Fluss der Filme.
Etwa das melancholische Krokodil in Miguel Gomes’ „Tabu“.
Die Giraffe mit dem verknorpelten Kopf in Edwins „Postcards from the Zoo“, und im selben Film den „Trick“, wie sich der zaubernde Cowboy in der brennenden Holzkiste wegverschwinden lässt.
Der Kampf mit Lauchstangen in „End of Puberty“.
Der Beginn der wilden Party in „Dollhouse“ zu Griegs „In der Halle des Bergkönigs“.
Das Geständnis von Lars Eidinger in „Was bleibt“ gegenüber seiner Mutter, was den Zustand seiner Ehe angeht, gehalten im Konjunktiv: wenn ich ehrlich wäre, müsste ich dir sagen, dass…
Der Meteorblitzkrieg im ohnehin denkwürdigen „Iron Sky“, und die durchgedreht-altmodisch-aufgedrehte Art, wie Thilo Prückner als Mad Scientist sein „Aufgemerkt“ durch die Nazihallen auf dem Mond schleudert.
Die Langeweile-Beschäftigungsprogramme in der white trash-Familie von „Kid-thing“: Rubbellose, eine Rauferei, langanhaltendes Lachen über einen unglaublich unwitzigen Witz, und das minutenlange Crashcarrennen am Anfang.
Wie im Generation-Film „Comes a Bright Day“ eiskalt eine alte Lady erschossen wird.
Wie in „Iron Lady“ am Ende, nachdem sich die alzheimerkranke Thatcher genügend zurückerinnert hat an ihre Karriere, ihre Ehemann-Denis-Halluzination den Koffer nimmt und weggeht – wie folglich Alzheimer durch biographische Rückschau geheilt wird.
Das Reh in Soderberghs „Haywire“. Und das schön lakonische Ende.
Und im Gewinnerfilm, „Cesare deve morire“ der Taviani-Brüder: das Casting der Gefangenen, die eine Abschiedsszene mal mit Herzschmerz, mal mit Bauchwut spielen sollen, worauf ihr Verbrechen und das Strafmaß eingeblendet werden; wie Marc Anton von Brutus als „ehrenwertem Mann“ spricht, im Gefängnis voller Mitglieder der ehrenwerten Gesellschaft; und die Musik, die in all den durchinszenierten, aber doch noch unfertigen Gefängnis-„Julius Caesar“-Theaterproben schon um die Dramatik weiß, die also in ihrer Dramatik schon vollendet ist.