Vor dem von verdi angekündigten morgigen Untergang des Abendlandes gab es heute schon ein paar Erschütterungen: Bundespräsident Ellster (o.s.ä.) ist zurückgetreten, Paul McCartney hört mit dem Kiffen auf etc. Wenn so alles zusammenbricht, ist es ratsam, sich auf sicheres Gelände zu begeben, zum Beispiel auf das feste Fundament des Genrefilms, und das möglichst weit weg.

Glücklicherweise hat Kosslick genau auf diesen Tag Tsui Harks “Flying Swords of Dragon Gate” programmiert, denn wenn einem in der Realität alles um die Ohren fliegt, begibt man sich am besten ins Kino, setzt sich eine 3D-Brille auf und lässt sich alles um die Ohren fliegen: Schwerter, Messer, Balken, Baumstämme, Gerüste, Häuser, Menschen, alles geht drunter und drüber in bester Schwertkampffilmtradition, in schönstem Bunt, mit phantastischen Stunts, exaltierten Tricks, herrlich choreographierten Kämpfen. Eigentlich völlig bekloppt, aber von opulenter, mitreißender Eleganz und Schönheit. Stört die verworrene Story, die wohl kaum Sinn ergibt, das Zuviel an Hin und Her, immerhin wurden ein paar Drehbuchmitarbeiter sowie ein Script Coordinator gebraucht? Nein, völlig wurscht, wer wann warum gegen wen kämpft. Zwar dauerts, bis sich die guten und bösen Koalitionen gefunden haben, aber bis dahin gab es schon drei dolle Kampfszenen, eine Art Konzentrat aus dem Best of der Essenzen von Fluch der Karibik und Spiderman, und es ist ganz wurscht, wer da Freiheitskämpfer, Freelancer, Räuber oder Tatare ist, wenn sie sich finden, dann werden sie auch irgendwann gegen die Bösen kämpfen.
Auch das wäre verwirrend, wenn man einen Gedanken verschwenden würde; denn die gute alte Tradition des weißgekleideten Helden und des dunklen Schurken wird aufgelöst, wie sowieso nahtlos von Gut nach Böse und zurück gewechselt wird; inklusive Doppelgänger und Verkleidungstricks. Schlacht um ein Wüstengasthaus, Duell im Sandsturm, Kampf in uralten Ruinen – so klingt der rasanteste Berlinalespaß aus.

Spaßig versprach auch der thailändische “Fon go kuen fah” / “Headshot” zu werden, von Pen-Ek Ratanaruang: Profikiller kriegt einen Kopfschuss ab und sieht nach dem Erwachen aus dem Koma die Welt auf dem Kopf stehend. Wunderbarer Thrillerstoff mit großem visuellen Potential: in Rückblenden wird das Werden des Killers gezeigt, der Cop war, sich gegen Korruption und Drogenmafia auflehnte, ins Gefängnis, kam von einer geheimnisvollen Assassinen-Organisation angeworben wird; und der jetzt, mit kopfüber-Bildern vor Augen, von Bösewichtern gejagt wird. Allein: Der Regisseur legt die Schwerpunkte falsch, hält sich zu lange im Früher auf, vernachlässigt die tragische Liebesgeschichte, die diesen Charakter formte; und vor allem hat er keine Ahnung, aus wessen Perspektive er eigentlich filmen soll. Und so wird die auf dem Kopf stehende Welt völlig verschenkt, spielt im Plot gar keine Rolle, und im Erzählen auch nicht, weil Ratanaruang immer wieder – und viel öfter als bei seiner Hauptfigur – den Nebenfiguren Point of View-Subjektiven schenkt, man also weder gedanklich noch visuell bei der Hauptfigur bleiben kann.
Kurzum: Man müsste nochmal von vorne anfangen und alles richtiger machen, bei diesem Film, beim Bundespräsidentenamt und – naja, McCartney darf weitermachen mit dem Aufhören mit dem Gras, davon kriegt man eh nur ne weiche Birne.

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