Nazis auf dem Mond

Ich muss Kollege Buttgereit zuvorkommen: bevor der “Iron Sky” schlechtredet, will ich ihn gutreden.

OK, klar: Inhalt und Dramaturgie quatsch, Darsteller bestenfalls solala, Figuren vielleicht gar uninteressant – das sind so seine Argumente gegen den Film. Aber sind diese Kriterien relevant? Geht es nicht einfach nur um das eine, und wird dieses eine nicht in bestmöglicher Form geliefert: um Nazis auf dem Mond?

Ja, die Nazis. Sie leben hinterm Mond, haben dort eine Festung aufgebaut, ein Zufluchtsort nach verlorenem Krieg. Von dort werden sie kommen, sie planen die Wiedereroberung der Erde. Und werden von einer Mondmission im Jahr 2018 entdeckt – eine Invasion der Amerikaner?

Die blonde Lehrerin (Julia Dietze) jedenfalls glaubt an den Sieg der Liebe, der Einheit, der Gesundheit – sprich des Nationalsozialismus. Ihr Verlobter (Götz Otto) will Führer werden statt des Führers (Udo Kier) und organisiert den Kampf um die Erde. Dort kämpft die Sarah Palin-US-Präsidentin vor der Wiederwahl. Das Vorauskommando der Nazis mit Götz Otto und Julia Dietze kommen gerade recht: das idealistische Ideologiegebrabbel kann für Wahlkampfreden zweitverwertet werden. Im Übrigen spielen ein Neger, ja so einer mit richtig dunkler Hautfarbe, eine Rolle, der aber wird standesgemäß albinisiert von Thilo Prückners Dr. Rotwang-Mad Scientist. Weißer Neger, blonde Nazifrau, stolzer, ehrgeiziger Beinaheführer, eine Präsidentin, die über Leichen geht: alles bereit zur großen Schlacht, die für den Wahlkampf gut ist und in der UN die USA als Retter der Menschheit erscheinen lässt.

Wie gesagt: Wen interessieren Plot, Dramaturgie, Charaktere? Es geht ums große Ganze: um die Welt-Community, zumindest die im Internet organisierte, zumindest der Teil davon, der diesen Film crowdfundig unterstützt hat. Für euch da draußen ist dieser Film gedreht, fürs Volk, bezahlt vom Volk. Ein demokratischerer Film ist kaum denkbar, hätte er nicht in den Wettbewerb gehört? (Wie konnte er überhaupt im Panorama landen, wo doch im Film keiner schwul ist?)

Genug der Frotzeleien. Trash verleitet dazu. “Iron Sky” besticht durch überraschend gute Effekte und durch einfallsreiche, teilweise sehr intelligente Gags – Chaplins kurzer “Großer Diktator”! Und durch eine gewisse Haltung, in Satire verwandelte Resignation: So demokratisch der Film auch entstanden sein mag: er erzählt vom Ende, nein: von der Unmöglichkeit von Demokratie; wie wir ja gerade auch am Beispiel Griechenland vs. EU sehen.

Im Übrigen ist die Prämisse nicht so sehr an den Haaren herbeigezogen, wie es scheinen mag: man googele mal “Neuschwabenland”. Oder sehe sich Thomas Frickels außerordentlich unterhaltsamen Dokumentarfilm “Die Mondverschwörung” an – der derzeit für eine DVD-Veröffentlichung im Crowdfunding-Modus ist: Ein Film über diverse Mond-Spinner; unter anderem rechte Esoterikfritzen, die zu Wort kommen, von Hohlwelttheorie, einer Nazibasis in der Antarktis und dem Nazi-Raumfahrtprogramm sprechen. “Iron Sky” ist sowas wie die Fiktionalisierung dieses Dokumentarfilms.

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2 Antworten auf Nazis auf dem Mond

  1. joerg.buttgereit sagt:

    Du Schlingel. Ich gebe zu, die digitalen Speziall Effekte in “Iron Sky” sind für eine Produktion dieses B-Kalibers verdammt gut. Aber eben zu gut. Denn sie hiefen den Film formal in eine Liga, in der der Film nicht mithalten kann. Aber ich will gar nicht so viel meckern. Ich gehe jetzt ein Interview mit dem Monddiktator Udo Kier machen.

  2. Heiko Jakob sagt:

    Gott sei dank ist der Film nicht im Wettbewerb, der ist doch viel zu gut dafür. Nein, so ein Film darf nicht mit Bärendreck beschmutz werden, so ein Film braucht einen richtigen Oscar. Einen Preis auf der Berlinale zu bekommen ist doch der Todesstoß für jeden Film, der wird dann NIEMALS flächendeckend in den Kinos zu sehen sein. Die Panoramasekti0n passt daher sehr gut, hier kann der Film Aufmerksamkeit erregen ( was er ja offensichtlich tut ) ohne mit dem Risiko eines Makels durch den goldenen Bären leben zu müssen.

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