Matchmaking

Matchmaking

Es hat gewisse Vorteile, sich eine Preisverleihung erst am Morgen danach als Aufzeichnung anzuschauen. Der wesentliche liegt im schnellen Vorlauf. So kann man rasch über die auftrumpfende Ahnungslosigkeit der Fragen hinweggehen, die 3SAT-Moderator Dieter Moor bei der Nachbereitung der Bären-Vergabe seinen Gästen stellte. Im Gegenzug kann man zurückspulen, um sich einige dreiste Schönredereien noch einmal anzuhören und auf Nuancen zu horchen -  die stehenden Ovationen etwa, von denen Dieter Kosslick schwärmte, galten nicht Wettbewerbsfilmen, sondern fanden bei den Specials statt: sie wurden vom Auftritt Harry Belafontes und der Vorführung von „The King’s Speech“ ausgelöst. Apropos: War die Einblendung des Titels „Standing Ovations for our Sponsors“ als Nötigung oder Entlastung des Gala-Publikums gemeint?
Spannung war an dem Abend ohnehin nicht zu erwarten gewesen. Der Jury blieb keine große Wahl. Bei der Bekanntgabe der jeweiligen Sieger hätte man sich freilich etwas weniger Geschäftsmäßigkeit gewünscht und etwas mehr suspenseträchtige Pausen. Den Skandal, den eine Nicht-Auszeichnung von „Nader und Simin – Eine Trennung“ bedeutet hätte, konnte schließlich niemand ernsthaft wollen. Die zwei Silbernen und der Goldene Bär verkamen immerhin nicht zur bloßen Symbolpolitik, sondern waren getragen von großem Einverständnis. Warum waren die Ausschnitte nur von derart miserabler, fahler Qualität?
Über die Vergabe des Regiepreises an Ulrich Köhler und des Alfred-Bauer-Preises an Andres Veiel wird sich nicht zuletzt der Weltvertrieb „The Match Factory“ freuen. Die Kölner Firma handelt mit den Verleihrechten von immerhin einem Viertel der diesjährigen Wettbewerbsbeiträge. Über das Wirken der Weltvertriebe hinter den Kulissen sollte man sich fortan stärker Gedanken machen, ihr Einfluss auf die Besetzung von Wettbewerben wäre einer genaueren Recherche würdig. Sollte die klandestine Regel tatsächlich gelten: „Wild Bunch“ zieht in Cannes die Fäden, „The Match Factory“ in Berlin?
Mit Genugtuung darf ich meinerseits feststellen, dass sich meine 9-Uhr-Theorie wiederum bestätigt hat: In den letzten zehn, zwölf Jahren hat jeweils zuverlässig ein Film gewonnen, dessen Pressevorführung um 9 Uhr begann.

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