Bergman Revisited

Zugegeben, vom Berlinale-Trubel habe ich dieses Jahr mal wieder nicht viel mitbekommen – die von mir hier im Blog geposteten Beiträge künden schon davon. Dass ich mich nur wenig auf aktuelle Produktionen eingelassen habe, liegt vor allem daran, dass ich nur wenig Bedarf nach dem Ansturm auf die Presse-Ticket-Schalter hatte und mir stattdessen lieber kleinere, wenig begehrte Leckerbissen aus dem Programm gefischt habe. Dazu zählt vor allem meine cineastische Wiederbegegnung mit Ingmar Bergman.

Wie in einem Spiegel (1961)

Seit meiner nahezu kompletten Achternbusch-Retrospektive auf dem Münchner Filmfest 2008 habe ich keine solche “Autorenfilm-Vorfreude” angesichts einer Festival-Retrospektive mehr verspürt. Und die Berlinale 2011 hat sich wirklich Mühe gegeben, nicht bloß die Bergman-”Gassenhauer” zum x-ten Mal auf die Leinwand zu bringen, sondern vor allem auch die unbekannter gebliebenen und selten zu sehenden Filme des 2007 verstorbenen Regisseurs. Es waren es also vor allem Filme aus dem Frühwerk und die wenigen dokumentarischen Filme, auf die man hier vielleicht erstmals treffen konnte. Die meisten seiner Spielfilme ab Mitte der 1950er-Jahre, aber auch einige frühe liegen dank Kinowelt/Arthaus ja sogar hierzulande auf DVD vor.

Sommer mit Monika (1952)

Vermisst habe ich trotzdem solche Kleinode wie “Der Ritus”, einen TV-Film von 1969 – vielleicht gibt es davon keine Kino-Kopie (kann ich mir nicht vorstellen)? Zusammen mit den hier gezeigten “Die Stunde des Wolfs” (1968) und “Schreie und Flüstern” (1972) gehört der Film zu dem kleinen Kanon von “Horrorfilmen” Ingmar Bergmans. Filme, die die existenzielle Bedrohung des Physischen durch eine Verrückung des Psychischen spürbar machen. Die Geister dieser Filme (die in “Die Stunde des Wolfs” ja sogar konkrete Emanationen gebären) wirken auf den Betrachter ganz anders als jene Gespenster aus “Fanny und Alexander” oder die fantastische Todesfigur in “Das siebente Siegel”. Man ahnt irgendwie, dass es privatere Dämonen sind, die hier auf die Leinwand gefunden haben – und die wie geschrieben etwas unglückliche Bergman-Ausstellung findet sogar Belege dafür (eine Notizbuch-Seite, auf der Bergman seine privatesten Dämonen handschriftlich aufgelistet hat).

Sommer mit Monika (1952)

Für den Abschluss meiner kleinen Bergman-Retrospektive habe ich allerdings einen “lichteren” Film gewählt; einen, für den – auch das habe ich in der Ausstellung erfahren – Bergman schon fast in den Sumpf des “Sexploitation”-Kinos verschoben wurde: “Die Zeit mit Monika” (wahlweise auch “Sommer mit Monika” von 1952). Ein Film, der auf der großen Leinwand natürlich noch mehr als auf dem heimischen TV die körperliche Präsenz seiner Hauptdarstellerin, Harriet Andersson, in den Vordergrund rückt. Andersson ist hier so natürlich, jung und frei(zügig), dass das exploitative Marketing zum Film, das in der Ausstellung zu sehen ist, schon beinahe verständlich erscheint: “Die Schwedinnen kommen”, mag sich da vielleicht manches stieläugige US-amerikanische Hausväterchen gedacht haben, wenn er die Schriftzüge über “Sex” und das Bild Anderrsons in der immer gleichen, das Gesicht der Sonne und dem Wind zugewandten Poste gesehen hat.

Sommer mit Monika (1952)

Es ist allerdings nicht nur ein Trugschluss, sondern regelrecht beschämend, die ungeheuerliche Schönheit dieser Bilder, die nicht wenig mit der Schönheit der damals 21-jährigen Harriet Andersson zu tun hat, auf derartige Weise ins Obszöne zu diskutieren. “Die Zeit mit Monika” ist trotz Oben-Ohne-Szenen, trotz des Coming-of-Age-Plots und trotz der “Liebe auf der Flucht”-Thematik zuvorderst eine Huldigung und Ode an das Gesicht dieser Schauspielerin. Es gibt in der Bergman-Ausstellung ein fotografisches Quartett, das dieses Gesicht von vorn, von der Seite und im Halbprofil zeigt – eine Aufnahme, die während der Dreharbeiten und für das spätere Marketing gemacht wurde: Und schon allein wegen dieser vier Fotografien lohnt sich der Besuch der Ausstellung! (Das folgende ist eines der vier Bilder.)

Sommer mit Monika (1952)

Die vor kurzem 79 Jahre alt gewordene Harriet Andersson war selbst auch auf der Berlinale und nahm an einer Podiumsdiskussion über die Retrospektive teil, die ich leider nicht besuchen konnte! Das verpasst zu haben tut mir mehr Leid als jeder verpasste Film des Festivals.

Schreie und Flüstern (1972)

Über Stefan Hoeltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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