Ich muss sagen, es war schon ein ziemlich beglückender Kinotag, den ich im Bann der 3-D-Brille verbracht habe. Drei Regisseure, die Sechzig schon eine gute Weile überschritten haben, lassen sich auf eine neue, technische Herausforderung ein und setzen den Zuschauer einem faszinierenden Schillern zwischen Vergangenheit und Zukunft (oder seien wir genügsam: Gegenwart) aus. Sie ahnen es schon – das wird ein ziemlich naiver und verzückter Blog-Eintrag.
Michel Ocelots „Les Contes de la nuit“ war eine schön klassische Einstimmung. Die altmodische Scherenschnitt-Technik besitzt eine natürliche Affinität zum „film en relief“, wie man den stereoskopischen Film in Ocelots Heimat nennt: Das Silhouettenhafte vervielfacht sich in der Staffelung des Hintergrunds. Auch die Tonspur spielt eine Rolle bei der Veränderung der Raumerfahrung. Ocelot teigert die Effekte dezent von Episode zu Episode, bis zur letzten, wo er die alte 3-D-Ästhetik des Projektils um eine zauberhaft funkelnde Nuance erweitert. Ich glaube, Ocelot mag den Scherenschnitt auch deshalb, weil er seine Kindheit in Afrika verbrachte und dort eine innige Liebe zur Hautfarbe Schwarz entwickelte.
Auch Wim Wenders und Werner Herzog betreiben eine zukunftsweisende Archäologie der Künste. Wenders wagt in „Pina“ den größten ästhetischen Sprung nach vorn. Er benutzt 3-D, um Positionen im Raum neu zu bestimmen und zu variieren. In seiner Choreographie der Deplatzierungen führt er die Bewegungen der Tänzer an anderen Orten fort (von der Bühne springt er in einen Park, eine Straße, eine Zeche etc), in Überblendungen treten sie geisterhaft auf und ab. Aus dem Porträt einer Choreographin und ihrer Compagnie wird ein Film über die Präsenz von Kunst in einer Stadt. Hübsch, wie lange er den Auftritt der Schwebahn hinauszögert. Vor den naheliegenden schreckt er zurück: Wer gegen Ende damit rechnet, die Tänzer würden dem Publikum einen Eimer mit Regenwasser entgegen schleudern, wird glücklicherweise enttäuscht. Die Worte löst Wenders vom Sprechakt abgelöst; die Mitglieder der Compagnie scheinen ihren eigenen Erinnerungen an Pina Bausch zu lauschen. Nach „Buena Vista Social Club“ stellt sich der Regisseur wiederum als ein großer Popularisierer der Künste vor.
Herzog hingegen ist der Forscher, der in die Tiefe des Raums vordringen will. Eigentlich mussten ihm langsam die unerforschten Winkel der Welt ausggangen sein, nach deren Unberührtheit er sich sehnt. Mit „Cave of forgotten dreams“ hat er sich wahrscheinlich selbst überrascht. Wenn es die Entdeckung der ersten Höhlenzeichnungen von Menschen in der Ardêche nicht wirklich gegeben hätte, hätte er sie erfinden müssen. Dass sein Film konventioneller ist als Wenders‘ ist kein Vorwurf. Mitunter verdoppelt er die Tiefe des Raums vor der Leinwand (ja, er mag auf die Projektil-Ästhetik nicht verzichten). Dem Illusionismus des Kinos bin ich dankbar auf den Leim gegangen. Fürwahr, in manchen Augenblicken hatte ich das Gefühl, wirklich in der Höhle zu sein: Die Entdeckung des Unermesslichen auf engstem Raum.
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